Wir sind Exxon

Man sollte über die verlogenen Exxon-Manager nicht allzu sehr die Nase rümpfen. In Europa sind die Menschen nicht viel anders.

Es ist amtlich: Die Erderwärmung findet nicht erst seit wenigen Jahren, sondern schon seit Jahrzenten statt. Das haben die Experten schon in den 1970ern festgestellt. Und zwar im Auftrag von einem der größten Öl- und Gaskonzerne der Welt: Exxon Mobil. Die Manager in der Chefetage des US-Multis wussten und wissen also seit einem halben Jahrhundert, dass es kracht, habern aber nichts gesagt. Im Gegenteil. Zwischendurch verbreitete Exxon sogar die Lüge von einer kleinen Eiszeit. Ein Irrsinn.

Zynische Naturen werden das Verhalten der Exxon-Chefs für „no na“ halten. Profitgier stehe in einem Ölkonzern eben über Weltuntergang. Mag woh sein, stimmt aber nicht zur Gänze. Hätten die Öl-Giganten dieser Welt vor Jahrzehnten schon mit dem Ausbau alternativer Energien begonnen, hätten sie gewiss viele Milliarden um den Preis eines verminderten Gewinnes investieren müssen. Heute aber könnten sie sich vor lauter Profit kaum noch „wehren“. Sie könnten die fossile Energiegewinnung drosseln und die Welt somit ein wenig kühler machen. Das Verhalten der Exxon-Manager offenbert also eine Gefahr, die schlimmer ist als der Klimawandel: menschliche Dummheit und Faulheit.

Doch bevor man sich gar zu sehr über Exxon echauffiert, lohnt ein Blick vor die eigene Haustüre. Zunächst hat sich Europa der russischen Gas-Abhängigkeit unterworfen, um es billig schön warm zu haben. Jetzt liefert sich Europa den Chinesen aus, weil man sich sonst die Energiewende leider aufmalen kann. Wichtige Mineralien und Rohstoffe kommen aus dem Reich der Mitte oder werden dort verarbeitet. So stammen zum Beispiel drei Viertel aller Solaranlagen, die in Europa verkauft werden, aus chinesischer Produktion.

Und warum ist das so? Weil die Europäer genauso sind wie die Exxon-Manager. Nur vielleicht noch etwas verlogener. Alle sind öko, vegan, nachhaltig, und manche kleben sogar. Den wahren Preis für eine Energiewende mag freilich niemand bezahlen. Rohstoffabbau und Industriehallen zur Gewinnung und Verarbeitung wichtiger Mineralien für alternative Energieanlagen will in Europa niemand sehen. Gas via Fracking? ja, gerne. Nur bitte aus den USA und ja nicht aus dem Weinviertel. Billiger Strom aus der Steckdose? Unbedingt. Aber ja kein Windrad vor der eigenen Haustür.

Fazit für die Menschheit: Der Zug zur Bekämpfung der Erderwärmung ist schon vor 50 Jahren abgefahren. Jetzt können wir nur noch das Schlimmste verhindern. Sofern der Verstand Einzug hält. Ob das gelingt, wird man heuer bei der UNO-Klimaschutzkonferenz in Dubai sehen. Leiten wird die Konferenz Ahmed al-Dschaber. Er ist übrigens der Chef des Öl-Giganten ADNOC.

Wolfgang Unterhuber, KURIER