Aggregiert über alle Teilbereiche des Einzelhandels konnten die Umsatzeinbrüche durch die ersten beiden Lockdowns im Vorjahr noch annähernd wettgemacht werden, wobei die einzelnen Sektoren sehr unterschiedlich betroffen waren. Während der Lebensmitteleinzelhandel (LEH) ein reales Umsatzplus von 7 Prozent erwirtschaften konnte, musste der Handel abseits der Grundversorgung ein Minus von 3,9 Prozent verkraften. Am schlimmsten von den Auswirkungen der drei harten Lockdowns betroffen ist der Bekleidungs- und Schuhhandel. In diesem Segment sind die Absätze 2020 um 22,4 Prozent eingebrochen.
„Wenngleich der Lebensmitteleinzelhandel um 7 Prozent zugelegt hat, ging die Grundversorgung der Bevölkerung auch mit zusätzlichen Kosten für die Hygienemaßnahmen einher. Im Non-Food-Sektor ist der stationäre Bekleidungs- und Schuhhandel der große Verlierer. Je kleiner der Betrieb und je weniger digital, desto dicker das Minus, bis hin zu Totalausfällen in den Lockdown-Zeiträumen. Der Platzhirsch im eCommerce konnte hingegen um 30 Prozent zulegen, der heimische Onlinehandel wuchs um 17 Prozent, ebenso ein Rekordwert. Damit bildet sich das veränderte Kaufverhalten der Konsumentinnen und Konsumenten durch die Pandemie in Zahlen ab. Einmaleffekte durch den Trend des ‚Cocooning‘ bescherten dem Möbel-, Heimwerkerbedarfs- und Elektrowarenhandel ein Plus“, sagt Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will.
Einpersonen-Unternehmer (EPU) sowie kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) – das Rückgrat der österreichischen Volkswirtschaft – leiden besonders unter den behördlich angeordneten Geschäftsschließungen. Im Einzelhandel betreffen die negativen Auswirkungen der Corona-Krise fast ausschließlich die stationären Geschäfte. Hier lag der inflationsbereinigte Umsatzrückgang 2020 branchenübergreifend bei mindestens -4,7 Prozent.
90 geschlossene Einkaufstage „Im ersten Lockdown hatten wir 24 Einkaufstage geschlossen, Geschäfte über 400 m2 sogar 39. Das war das Ostergeschäft. Der zweite Lockdown brachte weitere 17 geschlossene Einkaufstage. Das waren Black Friday und das Vorweihnachtsgeschäft. Der dritte Lockdown mit 34 Einkaufstagen betraf das Weihnachtsgeschäft an sich. In Summe mussten viele Händler Corona-bedingt 90 geschlossene Einkaufstage hinnehmen. Das lässt sich kaum verkraften“, so Will.
Im Schnitt verliert der stationäre Handel bis zu 1 Mrd. Euro pro Woche an Umsatz im harten Lockdown. Im Lockdown light, der uns ab 8. Februar wieder erwartet, sind es immer noch rund 250 Mio. Euro wöchentlich. Aufgrund der Länge der Lockdowns kann nur einen Teil der Umsatzverluste später noch in den Geschäften nachgeholt werden. Viel verlagert sich auf den Onlinehandel oder unterbleibt.
eCommerce boomt: „Der österreichische Versand- und Internet-Einzelhandel konnte im Vorjahr wie vom HV prognostiziert um 17 Prozent zulegen. Corona war hier eindeutig ein Brandbeschleuniger. Mittlerweile hat der eCommerce-Anteil am gesamten Einzelhandelsumsatz erstmals die Schallmauer von 12 Prozent übertroffen – und das Ende der Fahnenstange ist noch lange nicht erreicht. Das veränderte Kundenverhalten ist gekommen, um zu bleiben“, ist Handelssprecher Rainer Will überzeugt.
Noch stärker als der heimische Distanzhandel konnte 2020 der KEP Markt (Kurier-, Express- und Paketdienste) wachsen. 2019 lag die Zahl der zugestellten Pakete im B2C Bereich bereits bei 151 Millionen (+14%). 2020 erreichte das Paketvolumen sogar 180 Millionen – ein Anstieg von mehr als 19 Prozent innerhalb eines Jahres. Hauptgrund für dieses massive Wachstum ist das exponentiell gestiegene Umsatzvolumen der internationalen Online-Giganten, allen voran Amazon. Die führenden Drittstaatenhändler konnten 2020 in Österreich um mehr als 30 Prozent zulegen. Damit hat sich auch die Prognose bestätigt: Die Lockdowns haben ein gigantisches Amazon-Förderungsprogramm ausgelöst. Aber auch der heimische Handel hat massiv digitalisiert. Mehr als 5.000 Händler haben sich bereits auf www.kaufsregional.at – dem eCommerce-Verzeichnis des Handelsverbandes – registriert.
Das Motto für 2021 für die heimischen Betriebe heißt: Leben und Wirtschaften mit dem Virus, denn Corona wird uns noch länger begleiten und wir müssen die ökonomischen, sozialen und psychischen Kollateralschäden der Gesundheitskrise eindämmen. Die Händler werden sämtliche Sicherheits- und Hygienemaßnahmen der Bundesregierung ausnahmslos mittragen. Im Gegenzug lautet die Bitte an die Politik: Lasst die Geschäfte nachhaltig offen, wir sind kein Corona-Hotspot!